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ROBERT HÄUSSER

1946. Ich war unversehens zum Bauern geworden. Und die Fotografie? Wenn es uns wieder besser ginge, wollte ich fotografieren, hatte aber noch keine konkrete Vorstellung. Ich konnte ohnehin noch keine klaren Pläne machen, denn es ging jetzt erst einmal ums überleben.
– R. Häusser, Schwarz und Weiß, S. 105

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VERFÜGBARE WERKE 

Auf einem hell erleuchteten Innenhof zeichnen sich dunkle Schatten ab. Es sind Schatten der angrenzenden Bäume, eines Hauses und einer Person, die ihren Arm in die Luft hebt, so als ob sie jemandem etwas hinterherrufen möchte. Die Rede ist von “Mein letztes Bild” des Fotografen Robert Häussers. Es markiert den Endpunkt seiner künstlerischen Tätigkeiten im Jahr 2009, bevor er am 5. August 2013 verstirbt. Nach einer über 60 jährigen Schaffensphase hinterlässt der Fotograf ein umfangreiches und viel beachtetes Œuvre, das sich heute vornehmlich in den Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen befindet, im sogenannten Robert-Häusser-Archiv. 

Über viele Jahre war Robert Häusser auch Hausfotograf der Mannheimer GBG und die in diesem Kontext entstandenen Auftragsarbeiten verkaufte er 2001 im Rahmen einer feierlichen Übergabe an hiesige Wohnungsbaugesellschaft. Seit diesem Zeitpunkt lagern sie im Marchivum. Die aktuelle Ausstellung zeigt nun erstmal Arbeiten aus diesem Konvolut in einer Ausstellung, ein bedeutender und hoch ästhetischer Einblick in das Mannheim der 1950er/1960er Jahre.

 

Robert Häusser zählt zu den bedeutendsten deutschen Fotografen der Nachkriegszeit und den wichtigen Vertretern der Klassischen Moderne, der viele nachfolgende Fotografen, Künstler und Menschen inspirierte. Als Person erzählt Robert Häusser aber auch eine deutsche Geschichte, die von seinen Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus und dem Krieg, mit seiner Zeit in der Ostzone und seinen Reisen und zahlreichen Begegnungen mit berühmten Persönlichkeiten sowie den Erfahrungen in seiner Wahlheimat Mannheim berichtet.

 

Seine ersten Erfahrungen mit der Fotografie sammelte der in der Nähe von Stuttgart geborene Häusser in der frühen Jugend und bereits als 17- und 18 jähriger schuf er in den Jahren 1941/42 eine bedeutsame Reihe von Bildern, welche bereits viele Facetten und Herangehensweisen seiner später so charakteristischen Handschrift anklingen lassen. Zu diesen frühen Arbeiten gehört etwa die Arbeit “Bank im Regen”, ein poetisches Werk, welches das Nebensächliche und Alltägliche voller Zauber erscheinen lässt. Während der Kriegsjahre dann muss seine Arbeit mit der Kamera zurückstehen und auch in der Folge, als es ihn mit seiner Frau in die Sowjetische Besatzungszone zu seinen Eltern aufs Land verschlägt, bleibt anfangs wenig Raum zum fotografieren. “1946. Ich war unversehens zum Bauern geworden. Und die Fotografie? Wenn es uns wieder besser ginge, wollte ich fotografieren, hatte aber noch keine konkrete Vorstellung. Ich konnte ohnehin noch keine klaren Pläne machen, denn es ging jetzt erst einmal ums überleben.” (R. Häusser, Schwarz und Weiß, S. 105). Nach und nach wendet er sich dann wieder seiner Leidenschaft zu und er verdient das erste Geld mit Porträtaufnahmen sowie Aufträgen für das Denkmalamt. 

 

In dieser Zeit entstehen Bilder unter dem Eindruck der landwirtschaftlichen Arbeit, die er und seine Familie zu leisten hatte, wie auch unter dem Eindruck der ländlichen Gesellschaft und Umgebung. Grafisch komponierte Hell-Dunkel-Partien und klare Linien prägen immer stärker seine Bildsprache.  Mit der Arbeit “Acker” von 1950 gelingt ihm ein Höhepunkt der formalen und symbolisch verdichteten Bildsprache. Es sind auch hier die scheinbar nebensächlichen Motive, die das Bild auszeichnen. Der “Acker” zeigt die unendlich langen Furchen eines gepflügten Feldes, nur im entfernten Hintergrund erkennt man den Pflug und das Pferd geführt von Häussers Vater. Später wird Wolf Biermann dieses Bild mit einem eindrücklichen Gedicht würdigen und auch der Mannheimer Maler Brixy wird es in einer mehrteiligen Serie in der Prince House Gallery (2017) ehren. 

 

Schließlich verlässt Häusser die Sowjetische Besatzungszone und flieht mit seiner Frau Elfrieda über Berlin in den Westen. Er lässt bittere Erfahrungen hinter sich und will nun in Mannheim endlich in der erhofften freien Welt ankommen. “September 1952: Mit 5 Westmark in der Tasche, der alten Rollei und dem klapprigen Motorrad und das, was wir auf dem Leib hatten, kamen wir in Mannheim an: Ostflüchtlinge, Habenichtse” (R. Häusser,  Schwarz und Weiß, 2013, S. 134). 

Im Nachkriegs-Mannheim fällt es Häusser anfänglich schwer mit dem Beruf des Fotografen auch genügend Geld zu verdienen, um die Grundbedürfnisse der Familie zu stillen. Doch das ändert sich schon sehr bald, nachdem Häuser den Verkehrsdirektor Dr. Vogel aufsuchte, der ihm nicht nur einen ersten kleinen Auftrag gibt, sondern ihn stattdessen auch bei der Gemeinnützigen Wohnungsbau-Gesellschaft (heute GBG) empfehlen wird. Diese Empfehlung bringt Häusser schon einige Tage später einen wie er sagte “Großauftrag” ein, bei dem er für die “Gemeinnützigen” (gemeint ist die GBG) “10 Aufnahmen von den Neubauten der Schönau-Siedlung bis Ende der Woche” erstellen sollte (R. Häusser,  Schwarz und Weiß, 2013, S. 134-137). Fortan wird er mit der GBG über mehr als 2 Jahrzehnte als Hausfotograf intensiv zusammenarbeiten. 

 

Bei den Arbeiten, die in diesem Kontext entstehen, handelt es sich in der Mehrzahl um Architekturaufnahmen, für die Häusser versuchte, die Projekte seines neuen Auftraggebers ins beste Licht zu rücken. Neben der genannten Schönauer Siedlung, die er 1952 zum ersten Mal aufsuchte, gehören hier etwa auch das modern inszenierte Frauenwohnheim am Stephanienufer, die ECA-Siedlung in der Neckarstadt-Ost, die Erlenhof-Siedlung, das Hallenbad im Waldhof, die Garnisonstraße am Turley-Gelände und viele andere Orte und Siedlungen zu den Bildmotiven. Dabei inszenierte und dokumentierte Häusser oftmals nüchtern und doch formal sehr klar die neuen Architekturformen und ließ sich nicht nur auf das Spiel der Formen ein, sondern verstärkte durch seinen Blick auch die gewünschte Atmosphäre der jeweiligen Lebenswelten. Zuweilen gibt er der Vorstellung des Lebens in den neuen Wohnwelten einen derart geschickten Blick, dass die Bilder wie Darstellungen einer pittoresken und fernen Urlaubswelt anmuten (z.B. die Serie der Bilder im Waldhof). 

 

Er kommt dabei auch mit den Menschen der jeweiligen Siedlungen in Kontakt, wie etwa mit den Kindern in der Schönau-Siedlung. Hier entsteht vielleicht eine der schönsten Aufnahmen aus dem Konvolut der GBG, das vom Leben und  Sein der Kinder in den 50er Jahren erzählt (Kindergarten Schönau). Sein Blick schweift aber auch immer wieder ab und er lässt Motive wie auch Perspektiven Teil seiner Aufnahmen werden, die alles andere als kühl dokumentarisch sind: Der Blick auf ein Hochhaus aus dem hohen Gras heraus, der schräge Winkel eines Hinterhofs mit spielenden Kindern, dramatische Hell-Dunkel Kontraste, welche die gezeigte Architektur inszenieren. So finden sich an zahlreichen Stellen der Arbeiten typische Spuren Robert Häussers. 

Schließlich verewigt sich der Künstler dann auch in einer Aufnahme selbst: Im Bild einer Wohneinheit in der Karlsruher Straße hebt sich wie in “Mein letztes Bild” sein dunkler Schatten vom hellen Boden ab.

Die frühen Aufträge der GBG gaben Robert Häusser einen wichtigen finanziellen Anschub, um sich wieder stärker seiner eigenen Fotografie zuzuwenden. 1953 entstehen die atemberaubenden Arbeiten seiner kürzesten Periode. „Bald fuhren wir nach Paris und sogar nach Italien. Diese Reise endete abrupt, wir hatten zu wenig Geld dabei. Reisen will gelernt sein. Aber welche Freiheit, reisen zu können! Und was für gute Bilder gelangen mir jetzt! Nun, da ich zum ersten Mal in meinem Leben von Schicksalsschlägen und Zwängen befreit in einem freien Land leben konnte, wurden meine Bilder von 1953 bis 1954, wie nie zuvor und auch später nicht wieder, ganz unbewusst hell und licht, oft zart. Nicht als Ausdruck ‘heller Freude’, aber doch voll reservierter Melancholie. Mir ist dieses Intermezzo der ‘Hellen Periode’ erst viele Jahre später aufgefallen und heute kann ich das verstehen.” (R. Häusser, Schwarz und Weiß, S. 137)

 

Im Rahmen der Ausstellung LINSE AUF//MANNHEIM folgen wir Robert Häusser und seiner Kamera durch ein Stück Stadtgeschichte. Wir blicken mit ihm auf Hinterhöfe, in Kindergärten, Wäschereien. Architektur präsentiert sich uns in teils dramatischer und hoch ästhetischer Inszenierung. Gerade im Kontrast zu zeitgenössischen Arbeiten der anderen Künstler der Ausstellung treten die als Aufträge in seiner eigenen Stadt entstandenen Lichtbilder des weltberühmten Fotografen in ihrer Eigenheit und Schönheit hervor. 

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